Vortrag: Glaubwürdigkeit oder Greenwashing? Welches Ziel verfolgt das Design von Nachhaltigkeitsberichten?

Bei der DGTF-Jahreskonferenz Design x Sustainability Anfang Juni 22 durfte ich an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel einen Vortrag halten zu meinem Lieblings- und Promotionsthema:

Abstract

Glaubwürdigkeit oder Greenwashing?
Welches Ziel verfolgt das Design von Nachhaltigkeitsberichten

Nachhaltigkeit als Leitidee bedingt einen Diskurs, mit dem Ziel eine Balance zwischen den Dimensionen Ökologie, Ökonomie, Soziales und Kultur (je nach herangezogenem Modell) herzustellen. Um die dazu notwendigen nachhaltigen Aktivitäten, Ziele, Werte usw. umsetzen zu können ist ein fortlaufender Kommunikationsprozess erforderlich. Im Rahmen dieses Diskurses spielt Design eine bedeutende Rolle vor allem in Bezug auf das kommunikative Wirkziel: Glaubwürdigkeit schaffen.

Insbesondere in Systemen wie Unternehmen und Organisationen, denen eine Mitschuld an den Problemen der Erde und der Menschheit gegeben wird, ist die Kommunikation ihrer Verantwortung und damit verbundenen Aktivitäten für eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich, um ihre Legitimität zu sichern.

Die Corporate Social Responsibility (CSR) Kommunikation von Unternehmen und Organisationen manifestiert sich hauptsächlich in Form eines Rechenschaftsberichts (Nachhaltigkeitsbericht, CSR-Report) wobei dieser als gestaltetes Medium sowohl auf der textlichen als auch auf der visuellen Ebene argumentiert und mittels Glaubwürdigkeit das Vertrauen der Stakeholder und Leser gewinnen soll. Glaubwürdigkeit ist in Zeiten von Greenwashing und »Fake News« das wichtigste Qualitätskriterium auch für die visuelle Kommunikation.

Das CSR-Konzept und die Nachhaltigkeitsberichterstattung werden vielfach kritisch gesehen. Insbesondere wird kritisiert, dass CSR auf dem aktuellen Wirtschaftssystem beruhe und damit keine echte Transformation von Unternehmen hin zu nachhaltigen Unternehmen erlaube (Ihlen, Bartlett, & May, 2014; Kuhn & Deetz, 2008). Außerdem wird die Diskrepanz zwischen Kommunikation und Handlung, auch Greenwashing genannt, kritisiert sowie die fehlende Vergleichbarkeit der Berichte. Weitere Kritikpunkte sind außerdem die zu positive Berichterstattung und fehlende Sanktionierung von nicht-nachhaltigen Aktivitäten bzw. die fehlende Belohnung für herausragende Nachhaltigkeitsleistungen.

Die Alternative zum CSR-Konzept bietet die Orientierung an der Gemeinwohlökonomie (GWÖ), einem »Wirtschaftssystem, das auf gemeinwohl-fördernden Werten aufgebaut ist« (Gemeinwohl-Ökonomie e.V., 2019). Die GWÖ basiert auf der Bilanzierung der Nachhaltigkeitsleistungen anhand von fünf Prinzipien: Orientierung an Verfassungswerten, Ganzheitlichkeit, Bewertungssystem, ethische Orientierung und verpflichtende Auditierung (Hofielen, 2019). Die Herausgabe einer Gemeinwohlbilanz und einem detaillierten Bericht ist Pflicht für an der GWÖ orientierte Unternehmen. Dieser Bericht ist ebenfalls gestaltet.

In dem Beitrag soll dargestellt werden, wie Unternehmen versuchen mithilfe eines visuell konstruierten ethos (eines glaubwürdigen Unternehmenscharakters), der Identifikationsangebote macht, Glaubwürdigkeit in Nachhaltigkeitsberichten und Gemeinwohlbilanzen zu erzeugen. Es soll dabei der Frage nachgegangen werden, welche Rolle Design in diesem Zusammenhang spielt. Das theoretische Fundament hierfür ist das Konzept »Design als Rhetorik« (Buchanan, 2008; Joost, 2008; Scheuermann, 2009, 2014; Smolarski, 2017). Außerdem sollen die visuellen ethos-Argumentationsstrategien in Nachhaltigkeitsberichten (Heins, 2022) und Gemeinwohlbilanzen vorgestellt, verglichen und diskutiert werden.

Literatur:

Buchanan, R. (2008). Declaration by Design: Rhetorik, Argument und Darstellung in der Designpraxis. In G. Joost & A. Scheuermann (Hrsg.), Design als Rhetorik. Grundlagen, Positionen, Fallstudien. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser Verlag.

Gemeinwohl-Ökonomie e.V. (2019). Idee & Vision. Abgerufen 30. Juli 2019, von https://www.ecogood.org/de/idee-vision/

Heins, S. (2022). Vom Ethos in Nachhaltigkeitsberichten. Wie wird Glaubwürdigkeit visuell dargestellt? Eine designrhetorische Analyse. Bielefeld: transcript.

Hofielen, G. (2019). Zum Potenzial von Gemeinwohlbilanzen. Nachhaltigkeitsberichte mit Biss. Ökologisches Wirtschaften, 2.2019, 27–29.

Ihlen, Ø., Bartlett, J., & May, S. (Hrsg.). (2014). The Handbook of Communication and Corporate Social Responsibility. Chichester: Wiley-Blackwell.

Joost, G. (2008). Bild-Sprache: Die audio-visuelle Rhetorik des Films. Bielefeld: transcript.

Kuhn, T., & Deetz, S. (2008). Critical theory and corporate social responsibility: Can/should we get beyond cynical reasoning? In A. Crane, A. McWilliams, D. Matten, J. Moon, & D. S. Siegel (Hrsg.), The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility. Oxford; New York: Oxford University Press.

Scheuermann, A. (2009). Zur Theorie des Filmemachens: Flugzeugabstürze, Affekttechniken, Film als rhetorisches Design (1. Aufl.). München: edition text + kritik.

Scheuermann, A. (2014). Medienrhetorik, Wirkungsintentionalität, Affekttechniken. Zur Konzeption von ›Design als Rhetorik‹ als notwendige Ergänzung der Kunstgeschichte. In G. Ueding & G. Kalivoda (Hrsg.), Wege moderner Rhetorikforschung: klassische Fundamente und interdisziplinäre Entwicklung. Berlin; Boston: De Gruyter.

Smolarski, P. (2017). Rhetorik des Designs: Gestaltung zwischen Subversion und Affirmation. Bielefeld: transcript.